Schwiegersohn-Präsident vs. Schwiegermuttermörder

Christian Wulff litt viele Jahre unter seinem Image als „idealer Schwiegersohn“. Ob er diesem Ruf tatsächlich gerecht wird, darf mittlerweile bereits die zweite Schwiegermutter überprüfen. Nachdem Informationen an die Öffentlichkeit gerieten, die ihn zumindest dem Verdacht aussetzen, Vergünstigungen als Gegenleistung für bestimmte Amtshandlungen (Kredite gegen Dienstreisenmitnahmen im Fall Geerkens, Urlaubsdomizile gegen Einsatz für die Steuerfreiheit von Lebensversicherungserträgen im Fall Baumgartl) genossen zu haben, präsentierte er gegenüber seinen wie bestellt harmlosen StichwortgeberInnen Ulrich Deppendorf und Tina Schausten eine verwegene Mischung aus Reue und Dreistigkeit. „Der Anruf bei dem Chefredakteur der Bild-Zeitung war ein schwerer Fehler, der mir leidtut, für den ich mich entschuldige.“  Da fällt wohl manchem – wie vor weniger als einem Jahr im Fall Guttenberg – eine Zeile aus einem Popsong ein: Don’t tell me you’re sorry ‚cause you’re not… I know you’re only sorry you got caught.  Was hat Wulff in seiner Exklusiv-Beichte für ARD und ZDF noch so alles erzählt? Unter anderem folgendes:

Schausten: Haben Sie in den letzten Tagen auch mal ernsthaft an Rücktritt gedacht?
Wulff: Nein. Denn ich hatte die ganzen Wochen über große Unterstützung von vielen Bürgerinnen und Bürgern, meiner Freunde und auch der Mitarbeiter. Ich nehme meine Verantwortung gerne wahr, ich habe sie für fünf Jahre übernommen. Und ich möchte nach fünf Jahren eine Bilanz vorlegen, dass ich ein guter, erfolgreicher Bundespräsident war; und ich mache das mit Freude und aus Überzeugung und weiß, dass ich nichts Unrechtes getan habe, aber nicht alles richtig war, was ich getan habe.“
Schausten: Waren Sie es bisher nicht, ein guter Bundespräsident?
Wulff: Doch, aber es wird ja im Moment gerade über die letzten Wochen gesprochen, und da steht es in Abrede und man muss am Ende nach fünf Jahren bewerten und beurteilen.“ […]
Deppendorf: Haben Sie, zusammengefasst noch mal gefragt, nicht durch Ihr Verhalten in den letzten Wochen das Amt des Bundespräsidenten schwer beschädigt?
Wulff: Das Amt des Bundespräsidenten ist aus vielerlei Gründen in Deutschland schwieriger geworden. Und durch diese Art von Umgang mit den Dingen hat man [sic] dem Amt sicher nicht gedient. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass ich [sic] durch eine ganze Reihe von Aktivitäten in der Amtszeit das Amt des Bundespräsidenten wieder gestärkt habe. Dass es eine hohe Anerkennung genießt. Ich bin geradezu überrascht, wie stark die Bürgerinnen und Bürger es von mir selbst auch erklärt, erläutert bekommen wollen und letztlich darauf setzen, dass ich Bundespräsident bleibe. Denn ich nehme meine Verantwortung wahr. Ich habe mich bewusst dafür entschieden und ich habe ein nachhaltiges Interesse an unserem Land, es voran zu bringen. Und wir brauchen auch jetzt die Kraft, und wieder um Politik zu kümmern in diesem Jahr, wenn dieses Jahr jetzt beginnt. Denn es kommen schwierige Aufgaben auf uns zu. Und da braucht es eben auch einen Bundespräsidenten, der sich diesen Aufgaben zuwenden kann.
Schausten: Heißt, dass Herr Christian Wulff ein Bundespräsident auf Bewährung vorerst bleibt?
Wulff: Die Begrifflichkeit finde ich völlig daneben. Weil wir diesen Begriff kennen, wenn gegen Gesetze verstoßen wurde. Ich habe weder jetzt im Amt als Bundespräsident gegen irgendein Gesetz verstoßen noch vorher. Es geht nicht um Rechtsverstöße, sondern es geht um die Frage von Transparenz, von Darlegung, von Erklärung. Dazu nutze ich auch diese Gelegenheit, um zu erklären, was ist und was war. Aber wie gesagt: Den Begriff der Bewährung halte ich für abwegig. Sondern ich bin jetzt schweren Herausforderungen ausgesetzt. Aber man muss eben auch wissen, dass man nicht gleich bei der ersten Herausforderung wegläuft, sondern dass man sich der Aufgabe stellt. Und auch weiß, wem es in der Küche zu heiß ist, der darf nicht Koch werden wollen. Wie es Harry S. Truman gesagt hat. Und deswegen muss man offenkundig auch durch solche Bewährungsproben hindurch.

Irgendwie erinnert das schon mehr als nur ein wenig an die Art, wie der  „Schwiergermuttermörder“ Adolf Tegtmeier einst seinen Richter zu überzeugen versuchte:


Richter: So, ich glaube, zur Person haben wir nun alles protokolliert … Also schön, wir treten dann weiter in die Hauptverhandlung ein und … eh … nun, Herr Tegtmeier, nun erzählen Sie mal, wie ist es denn dazu gekommen, daß Sie da Ihre Schwiegermutter ermordet haben?
Tegtmeier: Ja … also … ich möchte dazu gern noch eine Mitteilung machen … für dem Gericht.
Richter: Ja – wieso?
Tegtmeier: Ich möchte … eine Mitteilung machen!
Richter: Ja nu, also bitte – was denn?
Tegtmeier: Ich möchte es dem Gerichte mitteilen, daß mir meine Untat leid tut … und daß ich versuchen will, durch ein schönes Leben … woll’n ma sagen, daß ich wieder ausbügele … die Schwiegermutter, was da so passiert ist.
[…] Dann tat mir meine Untat sofort leid, und ich dachte, daß ich durch meiner Hände Arbeit … vielleicht durch ein schöneres Leben … äh … alles wieder einrenken kann.
[…]  Ja also, das Schlußwort … möchte ich es hinweisen, daß mir diese Untat sehr, sehr leid tut … und daß ich versuchen werde, durch ein schöneres Leben durch meiner Hände Arbeit … die menschliche Gesellschaft wieder … einzudringen. Und überhaupt – ich schließe mich den Ausreden meines Verteidigers an!

Analog dazu bittet Wulff allen Ernstes darum, durch eine „schöne Amtszeit“ wieder ausbügeln zu dürfen, „was da so passiert ist“ – also das mit dem Kredit und den Dienstreisen, dem Täuschen des Landtags, dem Bedrohen von Journalisten und was da sonst noch so passiert sein mag.